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Compliance und Unternehmenskommunikation: Gemeinsam sind sie stark
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Compliance, also rechts- und regelkonformes Verhalten eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter, ist im heutigen Wirtschaftsleben eine der zentralen Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg. Im Rahmen der Unternehmensbewertung wird speziell der Faktor Governance als Teil von ESG immer wichtiger. Und eine „gute“ Governance, also der gesamte rechtliche, faktische und prozessuale Ordnungsrahmen der Unternehmensführung, kann nur durch eine „gute“ Compliance erreicht werden. In Zeiten, in denen Unternehmen so sehr wie nie zuvor auf gesellschaftliche (und auch politische) Akzeptanz ihrer Geschäftsmodelle und ihres geschäftlichen Handelns angewiesen sind, ist das Risiko immens, durch Verstöße gegen gesetzliche Verpflichtungen oder gesellschaftliche Wertvorstellungen massive Reputationsverluste zu erleiden und damit die „License to operate“ zu gefährden. Nur die Erfüllung höchster Governance-Standards minimiert das Risiko, sich ressourcenraubenden Rechtsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen mit Stakeholdern auszusetzen. Ist ein Unternehmen nicht in der Lage, solche Standards zu implementieren und anzuwenden, läuft es Gefahr, neben der Reputation auch sehr viel Geld und möglicherweise sogar seine Existenzgrundlage zu verlieren.
Die Rolle der Kommunikation
Ist das Kind dann doch einmal in den Brunnen gefallen, steht das Unternehmen im öffentlichen Kreuzfeuer wegen des Vorwurfs von Verfehlungen. Dann schlägt die Stunde der Krisenkommunikation. Ihr Mandat ist dabei ausgesprochen anspruchsvoll, denn die Kritik, ein Unternehmen nehme es mit der Einhaltung der Corporate Governance nicht so genau, berührt einen Reputationsfaktor, auf den kein Unternehmen verzichten kann: die Glaubwürdigkeit. Der Vorwurf, unglaubwürdig zu handeln, geht an die Substanz der Reputation eines Unternehmens.
Diesen Vorwurf zu entkräften, gleicht einer Herkulesaufgabe für die Kommunikation. Denn im Kern geht es immer um die Frage, ob bei Compliance-Verfehlungen das Unternehmen selber versagt hat (zum Beispiel, weil die Unternehmens- und Führungskultur Fehlanreize für unethische Verhaltensweisen der Mitarbeiter gesetzt hat), oder ob es sich um die persönlichen Verfehlungen einzelner Mitarbeiter trotz höchster Compliance-Standards gehandelt hat. Die zweite Variante ist nur scheinbar die „bessere“ für das Unternehmen. In der Praxis, also in der öffentlichen Wahrnehmung, lassen sich beide Lesarten nämlich kaum unterscheiden. Vielmehr wird das Unternehmen, zumindest aber sein Topmanagement, direkt oder indirekt immer dafür verantwortlich gemacht, dass Verfehlungen einzelner möglich waren. Schnell steht der Vorwurf im Raum, dass die Governance-Strukturen nicht ausgereicht hätten, um die Verfehlungen zu verhindern. Noch schwerer wiegt der Vorwurf, die Governance-Strukturen im Unternehmen hätten die Verfehlungen sogar begünstigt, zum Beispiel durch die oben bereits angesprochenen Fehlanreize. Unabhängig, ob sich die Kritik eher in Richtung „Begünstigung“ oder „mangelnde Kontrolle“ bewegt, spielt in der medialen Wahrnehmung kaum eine Rolle, ob tatsächlich ein Organisationsversagen vorliegt: „Perception is reality“. Der drohende Reputationsschaden ist so oder so beträchtlich.
Aufgaben für (Krisen-)Kommunikation
Aus diesen Rahmenbedingungen ergeben sich für Kommunikation, insbesondere Krisenkommunikation, Aufgaben auf den drei Ebenen der unmittelbaren Krisenbewältigung, der Krisenprävention im Vorfeld sowie der grundsätzlichen kommunikativen Steuerung.
- Die unmittelbare Krisenbewältigung: Der Vorwurf mangelnder ethischer Glaubwürdigkeit ist schwerwiegend. In dieser unmittelbaren Krisensituation nach dem Bekanntwerden entsprechender Vorwürfe kann es für die Krisenkommunikation nur um eines gehen: Haltung zu zeigen und den festen Willen zu transparenter Aufklärung glaubwürdig zu demonstrieren und dann auch einzulösen – selbstverständlich in enger Kooperation und Abstimmung mit Vorstand, Aufsichtsrat und Ermittlungsbehörden. Operativ geht es darum, jederzeit nach innen und außen dialogfähig zu sein und die richtigen, konsistenten Botschaften zur richtigen Zeit an die passenden Adressaten zu senden.
- Krisenprävention im Vorfeld: Unternehmen sehen sich heute vielfältigen Bedrohungs- und Krisenszenarien ausgesetzt. Nicht alle sind planbar. Umso wichtiger ist es, umfassende Krisenprävention zu betreiben. Effiziente Organisationsstrukturen für den Krisenfall müssen etabliert sein und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dabei geht es um klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten ebenso wie um eine in der gesamten Unternehmensorganisation verbindliche Klassifikation von Krisenszenarien und Definition von Eskalationsstufen.
- Grundsätzliche kommunikative Steuerung: Prävention sollte allerdings weit über die unmittelbar inhaltlich-organisatorische Vorbereitung klar definierter Krisenszenarien hinausgehen. Unternehmen sind gut beraten, die Unternehmenskommunikation zentral in die Beobachtung und Analyse des gesamten gesellschaftlich-politischen Umfelds einzubinden. Diese Aufgabe geht über das klassische „Issues Monitoring“ hinaus, das defensiv ausgerichtet ist. Es ähnelt letztlich nur dem Ausguck auf der Titanic und zielt darauf ab, Eisberge frühzeitig zu erkennen und zu umschiffen. Vielmehr geht es um eine offensiv-gestalterische Linie: Um die Einbindung der Kommunikation als strategische Führungsaufgabe. Ist die Kommunikation optimal und zeitgemäß, hat sie das Ohr ganz nah an den aktuellen, vor allem aber an künftigen gesellschaftlichen Entwicklungen und Prioritätensetzungen. Im Idealfall kann sie diese sogar antizipieren. Sie ist damit die natürliche Verbündete der Compliance-Organisation im Unternehmen. Ist sie in der Lage, diese Rolle auszufüllen, kann sie einen enorm wichtigen Beitrag zur Compliance leisten in dem Sinne, das Unternehmen im Einklang mit den gesellschaftlichen Wertvorstellungen weiterzuentwickeln oder es sogar zum Vorreiter bei bestimmten Themen zu machen. Um im Titanic-Bild zu bleiben: Die Kommunikation trägt dann entscheidend dazu bei, dass die gewählte Route von Anfang an weit entfernt von Eisfeldern verläuft. Daher gehört die Unternehmenskommunikation bei der Entwicklung und kontinuierlichen Nach- und Neujustierung der Unternehmensstrategie zwingend mit an den Tisch.
Auch aus einem zweitem Grund spielt die Unternehmenskommunikation eine Schlüsselrolle: Es sollte ihre Aufgabe sein, die Compliance jedem Mitarbeiter so zu vermitteln, dass ethisches, rechtskonformes Verhalten als „Must have“ verstanden wird, als Haltung, die im Unternehmen gelebt und belohnt wird.
Bei beiden strategischen Steuerungsaufgaben geht es keinesfalls darum, die Unternehmenskommunikation als einzigen Absender für sämtliche Governance- und Compliance-Themen zu positionieren. Als Hauptabsender sollte der Vorstand agieren, der das Thema an sich ziehen muss. Die zentralen Aufgaben der Unternehmenskommunikation liegen darin, ihn für die „richtigen“ Themen und Inhalte zu sensibilisieren und ihm die passenden Instrumente, Kanäle und Botschaften an die Hand zu geben, um wirklich jeden Mitarbeiter entsprechend zu erreichen.
Last but not least sollte die Unternehmenskommunikation dann auch öffentlich darüber sprechen bzw. das Compliance-Engagement des Unternehmens so glaubwürdig vermitteln, dass im Idealfall eine Community entsteht, die als Fürsprecher des Unternehmens agieren und auf diese Weise wirksam zum Schutz der Reputation beitragen kann, falls es trotz aller Bemühungen doch einmal zu einem Krisenfall kommt.
Im Grunde genommen verhält es sich mit dem Issues- und Krisenthema Governance- und Compliance-Konformität wie mit allen potenziellen Krisenthemen: Auch hier greift der „gute alte“ Paul Watzlawick mit seiner berühmten Maxime, man könne nicht nicht kommunizieren. Wer einen selektiven, zurückhaltenden Umgang mit Medien und seinen relevanten Stakeholdern pflegt und erst im Krisenfall anfängt, über seine Compliance-Anstrengungen zu sprechen, wird seine Reputation dann kaum mehr glaubwürdig retten können. Denn wenn ein Unternehmen bis dato nicht dazu kommuniziert hat, haben diese Bemühungen für die Öffentlichkeit auch nicht stattgefunden. Das mag man zwar als unfair empfinden, entspricht aber der Realität einer medialen Öffentlichkeit, die heutzutage durch massiven Information Overload geprägt ist und Entwicklungen, die ihr nicht dauerhaft und prominent vermittelt werden, so gut wie nicht wahrnimmt. Dabei geht es gerade bei den Themen Corporate Governance und Compliance nicht um lautes Getöse, sondern um eine kontinuierliche, dialogische Einbindung aller internen und externen Bezugsgruppen auf dem Weg der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens. In diesem Kontext hört man von Investoren-Seite auch immer wieder das Credo „Solange das G, stimmt, gibt es meist auch am E und S nichts auszusetzen“.
Dirk-Arne Walckhoff
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